
Hintergrund
Rheinblick2027 ist das Nachfolgeprojekt von Rheinblick2010 (ehemals Rheinblick2050), beide Projekte wurden von der Internationalen Kommission für die Hydrologie des Rheingebietes (KHR) initiiert. Neuste Erkenntnisse in der hydro-klimatischen Forschung und der hydrologischen Modellierung unterstreichen die Relevanz, hydrologische Abflussszenarien regelmässig zu aktualisieren. Die Szenarien stellen eine wichtige Grundlage für die Planung von Klimawandelanpassung dar. Zudem bilden die Ergebnisse von Rheinblick2027 eine Grundlage für Studien zu den Auswirkungen des Klimawandels, die beispielsweise von der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) oder der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) durchgeführt werden.
Eröffnungsseminar
Rheinblick2027 wurde im April 2024 initiiert und startete offiziell im September 2024. Das Eröffnungsseminar fand am 14. April 2025 vor Ort in Deventer (NL) sowie online statt. Es bot eine Plattform für den Austausch über erste Ergebnisse und die Ausrichtung des Projekts zwischen Stakeholdern und WissenschaftlerInnen. Rund 50 TeilnehmerInnen aus unterschiedlichen Fachrichtungen nahmen teil (Abb. 1).
Abbildung 1: Zusammensetzung der rund 50 TeilnehmerInnen beim (hybriden) Eröffnungsseminar, gegliedert nach beruflichem Hintergrund.
In der ersten Projektphase werden Abflussszenarien auf Basis der KNMI’23-Klimaszenarien entwickelt. Diese beruhen auf Modellketten (CMIP6 = Coupled Model Intercomparison Project) und beinhalten drei Emissionsszenarien (SSP = Shared Socioeconomic Pathways), drei zukünftige 30-Jahres-Zeiträume sowie jeweils eine feuchte und eine trockene Klimavariante. Die Simulationen erfolgen mit drei hydrologischen Modellen: NL-WFLOW, CH-PREVAH und D-LARSIM-ME. Erste Ergebnisse bestätigen frühere Szenarien: künftig werden geringere Sommerabflüsse zwischen Basel und Lobith sowie eine Zunahme von Hochwasserereignissen im Unterlauf des Rheins erwartet. In der nächsten Projektphase werden, ebenfalls basierend auf den KNMI’23 Szenarien, Unterschiede zwischen den hydrologischen Modellen analysiert. Anschliessend werden transiente Abflussszenarien anhand der EURO-CORDEX Daten erstellt.
Das Seminar gliederte sich in zwei Blöcke: einer zur Erfassung von Stakeholder-Interessen, um die Relevanz und Anwendbarkeit der Projektergebnisse zu erhöhen, ein zweiter zur Modellierung hinsichtlich der Entwicklung von Abflussszenarien sowie zur Analyse der Auswirkungen des Klimawandels auf spezifische hydrologische Themen wie Grundwasser, Stresstests, Starkniederschläge, Extremereignisse, Meeresspiegelanstieg und hydrologische Abflussszenarien für die Maas.
Ergebnisse aus dem Block Stakeholder-Interessen
Etwa 20 Stakeholder aus dem Rheineinzugsgebiet diskutierten folgende drei Fragen:
- Welche Faktoren, die hydrologische Veränderungen beeinflussen, sollten vertieft untersucht werden?
- Welche zusätzlichen Aspekte sind aus Sicht der Stakeholder für Rheinblick2027 relevant?
- Welche hydrologischen Indikatoren sollten berücksichtigt werden?
Als wichtigster Untersuchungsfaktor wurde das Wassermanagement, gefolgt von hydrologischen Prozessen (Abb. 2a), genannt. Gletscher erhielten keine Stimmen – nicht wegen mangelnder Relevanz, sondern weil die beiden abgeschlossenen ASG-Projekte (ASG I und II) hierzu bereits wertvolle Informationen liefern. Weitere häufig genannte Themen waren Wassertemperatur und Grundwasser (Abb. 2b).
Aus regionaler Sicht wurde der GlW (Gleichwertiger Wasserstand) für Orte wie Duisburg, Kaub und Maxau vorgeschlagen – insbesondere im Hinblick auf beobachtete und für die Zukunft simulierte Niedrigwasserbedingungen im Sommer. Weitere Vorschläge betrafen Fliessgeschwindigkeiten, Sedimenttransport und ökologische Indikatoren (Abb. 2c). Das Projekt-Team prüft derzeit, in welcher Form diese Themen (special items) im Projekt berücksichtigt werden können.

Abbildung 2: Die Ergebnisse der Sitzung für die Stakeholder umfassten: (a) die Bestimmung von Faktoren für hydrologische Veränderungen, die eine weitere Untersuchung rechtfertigen; (b) andere Aspekte, die als relevant für die Untersuchung angesehen werden; und (c) die Hervorhebung relevanter Indikatoren innerhalb des Rheineinzugsgebietes.
Ergebnisse aus dem Block Modellierung
Rund 30 WissenschaftlerInnen waren bei diesem hybriden Austausch dabei und diskutierten die zwei folgenden Fragen:
- Wie kann der Workflow für die Erstellung hydrologischer Szenarien verbessert werden?
- Wie ist der Zusammenhang zwischen öffentlichem Interesse und dem Aufwand zur Analyse von Klimawandelauswirkungen bei spezifischen hydrologischen Themen einzuschätzen?
Zur Verbesserung des Workflows wurde eine Standardisierung der Kalibrierung und Bias-Korrektur empfohlen (Abb. 3a). Die Kalibrierung sollte modellübergreifend auf einem gemeinsamen Datensatz basieren, und die Bias-Korrektur vereinfacht werden, um Konsistenz zu gewährleisten und Klimawandelauswirkungen besser abzubilden. Rheinblick2027 verfolgt das Ziel, weitere Modellierungsteams einzubeziehen, um einen robusten Multi-Modell-Ansatz zu ermöglichen.
Zwischen dem Interesse und dem Modellierungsaufwand für spezifische hydrologische Themen schätzten die TeilnehmerInnen dieses Blocks einen positiven Zusammenhang: Je grösser das Interesse an einem Thema, desto höher wird der erforderliche Aufwand eingeschätzt (Abb. 3b). Diese Einschätzung kann helfen, Ressourcen gezielt einzuteilen – etwa durch einen Stakeholder-Workshop zur Maas oder intensivere Modellierungen für das Grundwasser.

Abbildung 3. Die Ergebnisse aus dem Block Modellierung umfassten: (a) verbesserte Abläufe bei der Erstellung neuer hydrologischer Abflussszenarien und (b) den angenommenen Zusammenhang zwischen dem Interesse und dem Modellierungsaufwand für die Analyse von Klimawandelauswirkungen bei spezifischen hydrologischen Themen.
Fazit
Das Eröffnungsseminar bot eine wertvolle Plattform für den Austausch zwischen Stakeholdern und WissenschaftlerInnen aus dem Rheineinzugsgebiet. Die Teilnehmenden konnten Erfahrungen austauschen und neue Perspektiven gewinnen. Diese aktive Beteiligung ist und bleibt ein zentrales Element von Rheinblick2027. Weitere Beteiligungen und Kooperationen im Projekt sind ausdrücklich willkommen – etwa durch zusätzliche Modelle, erste Analysen mit den Abflussszenarien, Workshops oder die Betreuung von Bachelor- und Masterarbeiten.
Die Diskussionen in beiden Blöcken zeigten, dass Themen wie Wassermanagement, Grundwasser und Extreme (z. B. Starkregen) bezüglich Stakeholder-Interessen sowie Modellierung als wichtig erachtet wurden.
Der Fokus der KHR auf die quantitative Abflussbildung und Abflusskonzentration bietet eine wertvolle Orientierungshilfe, bringt jedoch auch Limitierungen mit sich – insbesondere bei eng verknüpften Themen wie dem Grundwasser, das in Rheinblick2027 ein ‚Special Item‘ darstellt. Ziel ist es, einen Überblick über bestehende Projekte zu gewinnen, um Potenziale für ein Folgeprojekt auszuloten – etwa zur Wechselwirkung zwischen Grund- und Oberflächenwasser oder zur Grundwasserneubildung. Auch Themen wie Wassertemperatur und Wassermanagement wurden als relevant eingestuft. Diese unterschiedlichen Erkenntnisse tragen dazu bei, den Fokus im Projekt Rheinblick2027 weiter zu schärfen und bestmögliche Verbindungen zu anderen Projekten herzustellen, beispielsweise zum SES-Projekt zu sozioökonomischen Szenarien.
Ausblick
Das Projekt Rheinblick2027 dauert von September 2024 bis Dezember 2027. Ziel ist es, hydrologische Szenarien zu entwickeln, Modellunterschiede zu erklären, den Austausch zwischen Stakeholdern und WissenschaftlerInnen zu fördern sowie eine Datenpublikation und eine Zusammenfassung für Stakeholder zu veröffentlichen. Die Inputdaten (Niederschlag, Temperatur etc.) aus dem KNMI’23-Szenario stehen ab Herbst 2025 öffentlich zur Verfügung – insbesondere für Stakeholder und WissenschaftlerInnen, die Klimawandelauswirkungen bis Mitte des 22. Jahrhunderts untersuchen möchten. Projektupdates werden regelmässig auf der KHR-Website veröffentlicht.
Für Fragen, Anregungen oder Kooperationsideen stehen Michael Schirmer (michael.schirmer@geo.uzh.ch), Tobias Wechsler (tobias.wechsler@wsl.ch) oder Mitglieder des Rheinblick2027-Teams gerne zur Verfügung.